Mastercard, Visa, Paypal, die Schweizer Bank Postfinance und jetzt auch noch die Bank of America: Immer mehr Unternehmen kündigen über Nacht ihre Verträge mit Wikileaks auf und weigern sich, Gelder an die Internetplattform weiterzuleiten. Rein rechtlich ist ihnen dabei wenig vorzuwerfen. Solange andere Anbieter vorhanden sind und kein Monopol vorliegt, ist in den meisten freien Wirtschaftsordnungen kein Unternehmen verpflichtet, mit einem anderen Geschäfte zu machen. Und dennoch bleibt ein fauler Beigeschmack zurück.

Denn egal, was man von der Veröffentlichung von tausenden US-Geheimdokumenten halten mag: Wikileaks ist bisher völlig unbescholten. Kein Gericht hat die Internetplattform verurteilt. Es ist völlig unklar, ob Wikileaks überhaupt irgendwelche Rechtsnormen verletzt, und Spenden an die Organisation sind auch in den USA völlig legal.

Mastercard und Co treiben auch keine moralischen Bedenken an. Sonst ließe sich schwer erklären, warum die Unternehmen Spenden an rassistische - und in den USA völlig legale - Organisationen wie den Ku-Klux-Clan weiterleiten. Als einzige Erklärung für den Boykott bleibt, dass die Unternehmen auf Druck der US-Regierung oder aus Angst vor der öffentlichen Meinung in den USA agieren.

Genau das könnte jedoch so manche, die dem Treiben der Plattform ansonsten kritisch gegenüberstehen, erst recht ins Wikileaks-Lager treiben. (András Szigetvari/DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2010)